Liebe Siegenerinnen und Siegener,

An dieser Stelle sollte eigentlich ein Kommunalwahl-Programm stehen, wie es die FDP in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder formuliert hat. Das funktioniert heute nicht mehr. Die Corona-Krise hat alles verändert. Die Corona-Krise hat der Verwaltung und dem Rat der Stadt Siegen Defizite und Grenzen aufgezeigt. Einiges hat gut funktioniert, aber vieles hat nicht funktioniert.

Wir halten es jetzt für unabdingbar, nach der Corona-Krise Politik und Verwaltung in Siegen neu zu denken. Wir sind der Meinung, dass die Stadt Siegen nicht ausreichend auf diese Krise vorbereitet war, obwohl die Gelegenheit und das Wissen gegeben waren. Bereits 2012 wurde eine solche Epidemie in einem Planspiel des Bundes durchgespielt, die Parallelen zwischen dem damaligen Planspiel und der heutigen Epidemie waren verblüffend. Haben wir die Jahre seitdem ausreichend genutzt?

Das offensichtliche Nichtstun hat dazu geführt, dass wir als Gemeinwesen praktisch schutzlos in die Krise hineingeschlittert sind, und erst mitten in der Krise anfangen konnten zu reagieren. Wie genau die Probleme aussahen, das wird an anderer Stelle dringend zu diskutieren sein.

Und ja: Grundsätzlich sind Zivilschutz und Katastrophenschutz Aufgaben des Landes bzw. des Bundes. Den Kommunen kommt hier eine nachgeordnete Aufgabe zu, die Kreisverwaltung als Träger des Gesundheitsamtes kann Ihnen Aufgaben zuweisen. Das berechtigt die Kommunen aber nicht, sich aus zwingenden notwendigen Themen herauszuziehen.

Wir raten deshalb dazu, die Krisenvorbereitung in das städtische Aufgabenportfolio aufzunehmen. Unsere Stadt muss widerstandsfähig gegen- über künftigen Ausnahmesituationen welcher Art auch immer werden. Es ist nicht die Frage, ob solche Situationen eintreten werden, sondern wann sie eintreten werden. Lockdown heißt nicht Shutdown. Kontakt- sperre bedeutet nicht Denksperre. Unsere Ideen für die Siegener Zukunft denken deshalb immer auch die Chancen aus der Krise mit.

Auf eines können Sie sich verlassen: Dieses Programm verschwindet nicht am Wahlabend. Es wird in der kommenden Wahlperiode immer weitergedacht – auch mit den Themen, die hier nicht aufgeführt sind.

  1. Wirtschaft:

Wir haben erlebt, dass Bundesländer und Kommunen ein Füllhorn an Hilfsmitteln über Betroffene und Schein-Betroffene ausgeschüttet haben. Es findet geradezu ein Wettrennen statt, wer im Zeichen anstehender Wahlkämpfe vor wie vielen Kameras mit wie viel Geld in der Hand auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen durfte. In Siegen gab es das auch. Das ist aber alles nicht ausreichend. Bei sinnvollen Betriebskonzepten hätten viele der heute Betroffenen weiterarbeiten können, ohne dass ihnen erst Schaden zugefügt worden wäre. Biergärten zum Beispiel funktionieren auch in Corona-Zeiten, wenn an jedem Tisch zwei oder drei Menschen mit Abstand sitzen. Schulunterricht zum Beispiel kann auch bei gutem Wetter an der frischen Luft funktionieren. Hier darf man sich auf die Kreativität der Schulen verlassen – man muss sie nur lassen.

Das steht nicht im Widerspruch zu den Sicherheitsansprüchen – oder besser: den Sicherheitsrechten – der Bevölkerung.

Die Wirtschaft hat gelitten wie selten. Wir glauben aber grundsätzlich, dass wir kommunale Defizite nicht über eine Mehrbelastung der Wirtschaft durch höhere Gewerbesteuern finanzieren dürfen. Unsere Wirtschaft sollte bei ihren Versuchen, wieder auf die Beine zu kommen, nicht noch durch zusätzliche Steuern und Gebühren belastet werden. Dasselbe gilt für die Grundsteuer, die ja von Vermietern bekanntlich auch gerne auf ihre Mieter umgelegt wird. Wir müssen andere Lösungen finden. Das was bisher geschehen ist, ist völlig unzureichend, wir müssen daraus unsere Schlüsse ziehen.

Wir brauchen neue Gewerbegebiete, und wir brauchen sie jetzt. Was wir nicht brauchen, sind Geisterdiskussionen um Gewerbegebiete wie das in Oberschelden und Seelbach, dass erst frühestens in 30 Jahren, wenn überhaupt, realisiert werden kann, wie die Bezirksregierung selbst geschrieben hat. Wir brauchen aber auch Anreize für neue Unternehmen, gerade nach Siegen zu kommen. Deswegen müssen die Gewerbe- gebiete, die in den nächsten Jahren entstehen, entsprechend intelligent konzipiert werden, damit hochkarätige, zukunftsträchtige Unternehmen einen Anreiz bekommen, sich hier anzusiedeln. Wir sind aber auch da- rauf angewiesen, Flächenrecycling zu betreiben, also aufgegebene Flächen mit neuen Nutzungen zu versehen. Wir müssen weitere Abwanderungen von Siegener Firmen vermeiden.

Die Stadt Siegen muss sich auch nach außen hin anders präsentieren.

Wir haben große Erwartungen an die neue Stadtmarketing GmbH, die wir inhaltlich entscheidend mit beeinflusst haben, wir werden ihre Arbeit aber auch sehr kritisch begleiten.

  1. Schulen:

Grundsätzlich gilt, dass der Schulträger nicht für den Unterricht verantwortlich ist, sondern „nur“ für die Hardware. Die Defizite, die sich aus den Erfahrungen mit der Corona-Krise ergeben haben, sprechen aber sehr dafür, dass es eine weitergehende Verantwortung des Schulträgers gibt. Wir werden zum Beispiel gemeinsam mit den Schulen ein starkes Augenmerk darauf richten müssen, wie wir den Bereich Home-Schooling weiter ausbauen. Die Möglichkeiten sind durch eine Reihe von Förderprogrammen gegeben, es kann aber nicht sein, dass mit diesen Mitteln bauliche Unterhaltung betrieben wird, für die der Schulträger originär zuständig ist und dafür die Möglichkeiten der Beschulung von Kindern und Jugendlichen zu Hause nicht ausgebaut werden. Die Erfahrungen aus der Corona-Krise zeigen uns unmissverständlich, dass eine solide Expertise im Bereich der Heimbeschulung unabdingbar ist, und das gilt nicht nur für den Schulbereich.

Wir müssen feststellen, dass Schule im Home-Office bei bestimmten Gruppen sehr gut funktioniert, dass aber wie so oft sozial schwache Gruppen abgekoppelt werden. Es ist eben nicht gewährleistet, dass in jedem Haushalt oder bei jedem Schüler ein Tablet oder ein Notebook vorhanden ist, an dem die Schulaufgaben gelöst werden können. Es kann nicht sein, dass schon wieder gerade sozial schwache Gruppen am meisten unter einer außergewöhnlichen Situation leiden. Wir sollten über- legen, wie wir diesen Kindern geschützte Räume zum Lernen zur Verfügung stellen, wenn sie zuhause dazu nicht die Möglichkeit haben. Erst recht aber kann es nicht sein, dass wir in der Ausstattung unserer Schulen weitermachen wie bisher. Es ist richtig, die Schulen beim Breitbandausbau zu unterstützen. Home-Schooling ist aber immer eine Option, auch in Nicht-Krisenzeiten. Man sollte hier zum Beispiel an länger erkrankte Kinder und Jugendliche denken.

Aus den Erkenntnissen, die wir als Schulträger im Schulbereich sammeln können, können wir auch für andere Bereiche lernen. Das gilt zum Beispiel für die Stadtverwaltung, die allen Lippenbekenntnissen zum Trotz bei der Digitalisierung noch ganz weit hinterherhinkt. Wir haben große Sorgen, dass das vom Bund vorgegebene Ziel der Einführung des digitalen Rathauses bis 2023 in Siegen nicht eingehalten wird.

  1. Stadtentwicklung:

Die Siegener Politik hat über Jahre hinweg sehr viel über Stadtentwicklung diskutiert. Bemerkenswerterweise fand eine Gruppe in diesen Diskussionen nicht statt: Das ist die Gruppe der älteren Menschen. Stadtentwicklung hat nach unserer Meinung ausdrücklich auch etwas mit den Bedürfnissen der älteren Menschen zu tun. Wenn wir heute über die Gestaltung von Stadtteilen diskutieren, dann müssen wir das zwangsläufig auch durch die Augen von älteren Menschen sehen, die natürlich ganz eigene Ansprüche an Gestaltung stellen. Wir setzen ganz bewusst die Interessen der älteren Siegenerinnen und Siegener auf die Tagesordnung.

Das beginnt beim Thema Wohnen.

Wohnen muss bezahlbar bleiben. Wir werden es nicht akzeptieren, dass zum Beispiel in der Siegener Oberstadt ein Immobilienhype entsteht, der alteingesessene Mieter gefährdet. Grundsätzlich sind auch Mietverträge eine Frage privatwirtschaftlicher Geschäftsbeziehungen, in die wir uns nicht einmischen wollen. Wir möchten aber auch bei der städtischen Wohnungs- und Baulandpolitik neue Akzente setzen. Das bedeutet, dass die stadteigene Kommunale Entwicklungsgesellschaft viel stärker in die Entwicklung von Wohngebieten einsteigen muss und die neu entstehen- den oder sanierten Wohnungen zu bezahlbaren Preisen an Siegener weitervermietet. Wir möchten zum Beispiel den Stadtteil Geisweid durch eine gezielte Wohnbebauung auf dem Elih-Gelände aufwerten.

Tiny Houses sind eine neue Wohnform, bei der Menschen auf Zeit in einem mobilen Mini-Haus auf wenig Quadratmetern zusammenwohnen. Diese Wohnform ist eine Chance für Siegen. Wir möchten eine Fläche für diese mobilen Minihäuser in Siegen ausweisen, wie das viele andere Städte auch schon gemacht haben. Der Bedarf wächst landesweit zusehends.

Das städtische Wohnbaulandkonzept, das seit einigen Jahren entwickelt wird, ist ein sinnvoller Weg. Wir möchten aber, dass die Stadt Sie- gen eine Bodenvorratspolitik betreibt, und Flächen nicht ohne Not an private Investoren vergibt. Die Stadt sollte nicht weiter ihren Grund und Boden verkaufen, sondern im Rahmen des Wohnbaulandkonzepts selber entwickeln. Dabei gilt: Baugebiete mit Augenmaß entwickeln ist sinnvoll. Flächenfraß ist zu vermeiden. Zentral für uns ist aber auch ein anderer Aspekt: Während Siegen-Mitte einen Boom erlebte und sich in wenigen Jahren so sehr veränderte wie fünfzig Jahre vorher nicht, haben wir in den Stadtteilen und Dörfern erheblichen Nachholbedarf bei der Entwicklung. Hierauf muss die städtebauliche Planung in den kommenden Jahren einen Schwerpunkt legen.

  1. Unsere Wochenmärkte:

Wir möchten ausdrücklich die Siegener Wochenmärkte weiter entwickeln. Dabei geht es nicht nur um den Mittwochs- und Samstagsmarkt in der Siegener Oberstadt, sondern auch um den Geisweider und Weidenauer Markt. Wir setzen uns klar dafür ein, den Weidenauer Wochen- markt in die Poststraße zurückzuholen. Auf unser Betreiben wurde der Arbeitskreis Weihnachtsmarkt in den Arbeitskreis Märkte umbenannt. Verbunden damit war die Aufgabe, alle Siegener Wochenmärkte zu beleben. Wir können uns sehr gut vorstellen, die Organisation der Märkte an die neue Stadtmarketing GmbH zu übertragen, damit hier eine professionelle Weiterentwicklung gewährleistet werden kann.

  1. Klimaschutz:

Wir möchten eine kommunale Klimapolitik. Wir möchten als Kommune das tun, was wir tun können und was in unserer Verantwortung liegt. Das bedeutet, dass wir auch ohne grünen Einfluss eine grünere Stadt werden können, die für den Klimawandel gerüstet ist – grün im eigentlichen Wortsinn. Das bedeutet, dass die städtischen Wälder mittelfristig umgebaut werden, dass neue Baumarten gepflanzt werden, die besser an die Klimaveränderung angepasst sind. Wir möchten mehr Grün in die Stadt, wir brauchen Grüninseln, wir brauchen Wasser in der Stadt, um das Stadtklima zu verbessern. Gärtner und Kleingärtner sind diejenigen, die schon seit langem Klimaschutz betreiben. Haubergsgenossen betreiben eine jahrhundertealte naturnahe Form des nachhaltigen Wirtschaftens. Imker sorgen mit ihren Völkern dafür, dass unsere Natur überleben kann. Man kann nicht über Klimaschutz sprechen, ohne diese Gruppen mit einzubeziehen. Wir möchten gemeinsam mit den Waldgenossen und den Imkern dafür sorgen, dass unsere Siegener Wälder den Klimawandel überstehen.

Ausdrücklich loben möchten wir das städtische Konzept bei der Weiterentwicklung des Tiergartens in Weidenau. Dieses Konzept verdient es, nach Kräften unterstützt zu werden.

Der Umbau der Stadt kann an den städtischen Beteiligungen nicht vorbeigehen. Wir stellen uns vor, dass die Siegener Versorgungsbetriebe als Kompetenzträger für den ökologischen Umbau der Energiewirtschaft eine tragende Rolle übernehmen könnten.

  1. Vereine und Verbände:

sind das Rückgrat unserer Stadtgesellschaft. Das hat sich gerade in der Corona-Krise deutlich gezeigt. Die Sportvereine, die Verantwortung für die städtischen Kunstrasenplätze tragen, müssen natürlich unterstützt werden. Das gilt besonders für die Vereine, die entsprechend der Vereinbarung Rücklagen für die Sanierung der Kunstrasenplätze gebildet haben. Diese Vereine dürfen durch ihr solides Wirtschaften nicht bestraft werden. Wir müssen aber gleichzeitig auch dafür sorgen, dass private Initiativen, die sich nicht in Vereinsform bilden, nicht benachteiligt wer- den. Die Verwaltung muss Vereine unterstützen und beraten.

  1. Verkehr:

Im kommenden Jahr werden sich die Verkehrsverhältnisse in Siegen Mitte gründlich verändern. Wir werden, wie auch immer, den Ausbau des Schleifmühlchens erleben und das mit allen Konsequenzen für den Verkehrsfluss während der Bauzeit. Im kommenden Jahr wird es auch einen neuen Verkehrsentwicklungsplan in Siegen geben. Wir erwarten davon konkrete Antworten, wie die stark belasteten Straßen in Siegen Mitte – etwa der Hohler Weg, die Giersbergstraße und die Frankfurter Straße drastisch entlastet werden können. Die Anwohner dieser Straßen dürfen nicht die Lasten der Versäumnisse der Verkehrspolitik tragen.

Wir brauchen den Siegbergtunnel oder eine alternative Tunnellösung, auch wenn dies nicht kurzfristig zu realisieren ist. Zusätzlich dazu brauchen wir aber schnellstens andere Lösungen, damit die Anwohner besonders belasteter Straße nachts wieder in den Schlaf finden. Diese Lösungen möchten wir im kommenden Jahr im Verkehrsentwicklungsplan sehen.

  1. Kultur:

Kulturschaffende sind ein unverzichtbarer Teil unserer Stadtgesellschaft, Amateure wie Profis. Corona hat gezeigt, wie wirtschaftlich an- fällig diese Gruppe ist. Auch diese Mitbürgerinnen und Mitbürger haben mehr Anerkennung verdient.

Als Reaktion auf die Corona-Krise wurde die Stadtbibliothek geschlossen. Wir wissen nicht, warum die Bibliothek die Öffnungszeiten herunterfährt, wenn man eigentlich längere Öffnungszeiten benötigt. Wir benötigen auch bürgerfreundlichere Öffnungszeiten bei den Bürgerbüros, wir wollen die Bibliothek auch sonntags öffnen und neue Nutzer gewinnen. Es ist völlig sinnfrei, städtische Einrichtungen mit fadenscheinigen Begründungen dann zu schließen, wenn die Bürger für sie Zeit haben. Die Siegener Stadtbibliothek ist die Bibliothek des Oberzentrums. Dieser Status sollte sich auch in der Qualität und der Flexibilität des Angebots widerspiegeln.

  1. Sicherheit und Ordnung:

„Es wird immer schlimmer“ – keinen Spruch hat man so oft gehört. Was die Sicherheit in Siegen angeht, ist das Gegenteil der Fall. Das hat die Polizei im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung ausdrücklich bestätigt. Dafür wird die gefühlte Unsicherheit spürbar. Auch darauf müssen Politik und Verwaltung reagieren. Das bedeutet: Die städtische Ordnungsverwaltung gibt zwar manchmal die falschen Signale, macht aber vieles richtig. Wir möchten aber, dass nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in Geisweid, Kaan-Marienborn, Niederschelden und Weidenau nach dem Rechten gesehen wird. Wir möchten, dass die städtische Schwarzarbeitskontrolle wahrnehmbar wird. Und wir möchten einen klareren Rahmen, wie die Ordnungsverwaltung in künftigen Krisen arbeiten kann. Dazu gehört ein gut durchdachter städtischer Krisenplan, der noch vor der möglicherweise bevorstehenden zweiten Corona-Welle vorliegen muss. Wir erwarten hier schnelles Handeln.

Wir setzen uns angesichts der Neonazi-Vorkommnisse auf der Hammerhütte dafür ein, dass Polizei und Ordnungsverwaltung gegenüber den Extremisten eine Null-Toleranz-Position fahren. Die Hammerhütte soll schöner werden – das geht nicht mit einem Gefahrenpunkt in der Schlachthausstraße.

  1. Digitale Stadt:

Die digitalen Defizite unserer Stadt haben in der Corona-Krise Gesundheit, Freiheit und Wirtschaft gefährdet. Wir benötigen einen schnellen Ausbau der digitalen Infrastruktur. Es ergibt keinen Sinn, sich Formulare von der städtischen Homepage herunterzuladen, sie dann auszufüllen und von Hand ins Rathaus zu tragen, um sie dort in den Briefkasten einzuwerfen. Die Corona-Krise hat diese Versäumnisse sehr offengelegt.

  1. Jugend:

Aus verschiedensten Quellen wurde erkennbar, dass das Thema häusliche Gewalt in den Zeiten der Kontaktsperre eine deutlich höhere Bedeutung bekommen hat. Das Jugendamt hatte aber in der Zeit der Kontaktsperre keine Chance, von Lehrern oder Erzieherinnen über Auffälligkeiten bei Kindern informiert zu werden, wie das in Normalzeiten der Fall ist. Das führt dazu, dass der Kinder und Jugendschutz möglicherweise nicht mehr so gewährleistet ist, wie es angemessen wäre. In anderen Städten wurden Vorkehrungen getroffen, dass Kinder in solchen Notlagen in zusätzlich geschaffenen Unterbringungsmöglichkeiten Schutz finden. In Siegen lehnte man solche Überlegungen ab. Als das Familienministerium NRW die Möglichkeit eröffnete, eine Kinderbetreuung nicht nur für Kinder von sogenannten „systemrelevanten“ Eltern zu ermöglichen, haben einige Kommunen in NRW sofort reagiert und dieses Angebot ermöglicht. Davon haben wir in Siegen nichts gesehen.

  1. Politik und Verwaltung:

Als die Politik aus Corona-bedingten Gründen nicht mehr tagen konnte, hat die Verwaltung die Chance genutzt, „ihr Ding zu machen“. Politische Kontrolle, wie sie die Kommunalverfassung vorsieht, war hier nur schwer möglich. Stichworte für dieses demokratische Problem war die unsägliche Diskussion um die Platane am Bahnhof, die erst nach deutlichen Protesten aus Politik und Bevölkerung gerettet werden konnte. Es gab aber auch andere Dinge, die wir für höchst bedenklich hielten. So schlug die Verwaltung allen Ernstes vor, die Ratsmitglieder sollten ihre Kompetenzen auf die Mitglieder des Hauptausschusses übertragen. Rechtlich möglich wurde das durch eine Gesetzesänderung der Gemeindeordnung durch den Landtag NRW. Diese Übertragung hätte allerdings bedeutet, dass 55 von 69 Ratsmitgliedern aller Vorsicht nach bis zum Ende der Wahlperiode im September ihr Mandat verloren hätten. Es wäre also so gewesen, dass man durch Mehrheitsbeschluss sein Mandat verlieren konnte, das man durch die Mehrheit der Wähler gewonnen hatte. Die Wähler selber wurden zu diesem Thema vorsichtshalber nicht befragt. Man informierte sie noch nicht einmal über diese Idee. Zum Glück ist dieser Versuch gescheitert. Die Verwaltung braucht neue Instrumente, wie sie in einer Krise weiterarbeiten kann. Wir sind strikt dagegen, dass der Stab für außergewöhnliche Ereignisse sich erst dann zusammensetzt, wenn die Krise begonnen hat, um dann damit zu beginnen, Anweisung des Landes verwaltungsmäßig abzuarbeiten. Wir benötigen jetzt neue und nachvollziehbare Konzepte, aus denen sich auch für die Verwaltung im Normalbetrieb durchaus Erkenntnisse ableiten lassen. Wir benötigen für künftige Krisen einen kommunalen Notfallplan. Wir sollten die vielen kreativen und aktiven Mitarbeiter der Stadtverwaltung als Chance nutzen und nicht als buchhalterische Bestandteile des Stellenplanes.

  1. Finanzen:

Die Corona-Krise wird die Stadt Siegen in diesem Jahr möglicherweise einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag kosten. Damit ist das Haushaltssicherungskonzept Geschichte. Aus unserer Sicht haben Land und Bund eine große Verantwortung für die Kommunen, die letztendlich die Vorgaben nur umzusetzen hatten. Ohne einen kommunalen Rettungsschirm werden wir nicht auskommen. Die FDP-Fraktion hat die Landesregierung eindringlich dazu aufgefordert. Nichtsdestoweniger muss auch die Stadt selber jetzt noch intensiver darüber nachdenken, wie sie ihre Finanzen konsolidiert. Wir sagen aber ganz deutlich: Eine Rettung der Kommunalfinanzen über höhere Grund- und Gewerbesteuern wird unserer Wirtschaft nicht weiterhelfen, höhere Steuern werden den Corona-Betroffenen beim Überleben eher hinderlich sein. Wir werden jetzt andere Potenziale nutzen müssen.

ZUSAMMENFASSEND:

Die Verwaltung ist für den Bürger da, und nicht die Bürger für die Verwaltung.

Die Verwaltung muss ihre Arbeitsweise ändern, wenn sie merkt, dass ihre bisherige Arbeitsweise in Teilen nicht mehr zukunftsfähig ist. Das bedeutet zum Beispiel, dass sich die Verwaltung intensiv auf künftige Krisen vorbereiten muss, um im Krisenfall die Schäden für die Siegener Bürgerinnen und Bürger gering zu halten, geringer jedenfalls als die, die bei der Corona-Krise eingetreten sind.

Wenn es in den letzten 70 Jahren jemals einen Anlass gegeben hätte, grundlegend etwas an den Strukturen und der Arbeitsweise von Rat und Verwaltung zu verbessern, dann jetzt. Wir wollen das System nicht sprengen, aber wir wollen es da verändern, wo es nötig und möglich ist. Wir wollen, dass diese Stadt stark genug wird, künftige Krisen aus eigener Kraft und ohne Erlasse und Weisungen aus Land und Bund zu überstehen, wie auch immer diese Krisen aussehen werden.

Davon profitieren wir auch, wenn die Stadt wieder im Normalbetrieb läuft.

Aus Verantwortung: Diesmal Freie Demokraten in den Rat wählen.

 

Hier nochmal unser Wahlprogramm sowie der Flyer zum Download: