Die Entpolitisierung der Massen in der repräsentativen Demokratie
Ein Beitrag von Dr. Magdalena Grzonka
In der repräsentativen Demokratie (Hamilton, Madison, Jay 1777)1 werden die politischen Entscheidungen nicht mehr unmittelbar durch den Bürger selbst getroffen, sondern durch gewählte Repräsentanten. Zum einen wird damit zwar das Bedürfnis des Volkes nach einer Volksherrschaft befriedigt, zum anderen wird jedoch die eigentliche Machtausübung oligarchisch strukturiert. Wahlen vermitteln dabei nur die Illusion der Volkssouveränität. Die Partizipation des Bürgers am Gemeinwesen und an Entscheidungen wird eingeschränkt. Statt dessen werden die Entscheidungen im Hintergrund von „Experten“ gefällt.
Die tatsächlichen Zentren der politischen Macht werden im Neoliberalismus zunehmend verschleiert. Sie entziehen sich auch zunehmend der Verantwortung, da nicht mehr einzelne Akteure auftreten, sondern systemische Mechanismen geschaffen werden, durch die sich ökonomische Macht in politische Macht transformieren lässt.2
Manchen fällt diese Veränderung unseres demokratischen Selbstverständnisses zunehmend auf in dem Maße in dem der Neoliberalismus sichtbarer wird. Bereits 2000 warnte Pierre Bourdieu3 vor dem Neoliberalismus, der eine Politik implementiert, die sich schamlos eines Vokabulars der Freiheit bedient, aber die Politik entpolisiert und die Ökonomie entfesselt, deren vorgegebenen Zwängen, sich jeder einzelne unterwerfen muss. Vielen ist dieser Mechanismus jedoch nicht bewußt. Wir spüren ihn aber allenthalben. Doch warum schweigen die Massen?
Die Entpolitisierung des einzelnen basiert dabei auf vier Grundhaltungen: es ist unnütz, mich zu beteiligen, es ist unmöglich, mich zu beteiligen, ich verstehe davon zu wenig, ich habe kein Interesse daran.
Die Leitidee der Demokratie ist jedoch die Volkssouveränität. Im Mittelpunkt steht das Recht der Bürger, sich jederzeit eine Verfassung nach eigenen Vorstellungen zu geben. Alle Staatsapparate müssen sich dieser unterordnen. Die Teilhabe jedes einzelnen am Gemeinwesen muss möglich sein. In allen relevanten Fragen muss ein tragbarer Konsens ermittelt werden. Wahlen sind nur ein Aspekt der Willensbildung. Um eine wirkliche Demokratie zu etablieren, ist die Mitwirkung jedes einzelnen notwendig. Somit wird das Idealbild der Demokratie zur Utopie.
Es lohnt sich dennoch daran zu arbeiten.
1https://guides.loc.gov/federalist-papers/text-1-10
2Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören. Westend, Frankfurt am Main 2018